Kaffeetrinken in Mitte

Mit eigenen Gedichte zufrieden zu sein, finde ich immer schwierig. Dieses Gedicht mag ich aber immer noch sehr gerne. Es amüsiert mich. Die Inspiration dazu habe ich tatsächlich beim Kaffeetrinken in einem Café in Mitte erhalten.

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Kaffeetrinken in Mitte

Fünf Latte
für die Männer
vom Start Up
schreit der Dicke

Fünf dicke Latte
schreit die Barista
mit der blonden
Perücke

Fünf Latte
im Becher
die Milch geschäumt
nicht geschüttelt
am Kapitalismus
wird hier ganz bestimmt
nicht gerüttelt

 

(c) Isolde Peter

Ode an Berlin

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Berlin kann grausam sein. Ich meine nicht nur den Winter in dieser Stadt. Den November. Den Januar. Den März. Auch der Sommer.

Berlin hat eine dunkle Seite, nicht nur den Kitkat-Club oder das Berghain, den Potsdamer Platz oder den Zoo.

Die Berliner Luft ist oft voller Abgase und Gift. Inversionswetterlage.
Der Dreck, der in die Atmophäre geblasen wird, fällt auf auf die Stadt hinab.

Die Hundescheiße auf den Gehwegen wirkt im Winter wie Glatteis und im Sommer wie Leberwurst, die von den Schuhsohlen der Unachtsamen auf das Trottoir gestrichen wird.

Das Alleinsein, wenn sich die Anonymität plötzlich wie Einsamkeit anfühlt. Wenn  fehlende soziale Kontrolle eigentlich Gleichgültigkeit ist.

Seid gewarnt vor dieser Stadt.

 

Das ist einmal entstanden, weil im Bus eine junge, wahrscheinlich frisch zugezogene Frau, ganz begeistert über Berlin war. Man will es ja niemandem madig machen, aber mit Berlin muss man schon umgehen können, wenn man hier leben will.

Unter Reimzwang

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Viel schöner als gereimte Worte

ist oft auch eine Herrentorte

aus Schokolade weich und pfundig

getränkt mit Cognac süß und sündig.

 

Rahmig und sahnig zerläuft sie im Mund

fließt ohne Schmerz hinab den Schlund

Doch weh, o weh, bald folgt die Wende:

Zucker, Sahne, Butter – ohne Ende!!

 

Dem Magen wird es übel bekommen!

Hättest du doch den Hefezopf genommen!

Nun werden deine Hüften voluminös!

So erpresst mich mein Gewissen ganz bös.

 

Die Herrentorte ist längst schon verschwunden,

doch dank ihr hab ich manchen Reim gefunden,

obwohl ich das Reimen vermeiden wollte

und zwar aus rein spätpubertärer Revolte!

 

Wahrscheinlich lag’s am Alkohol der Torte

Zählen betrunken gereimte Worte?

Cognac steckte überhaupt nicht drin.

Nächstens probiere ich es mal mit Gin.

 

Ach, hätt’ ich nur die Herrentorte verschmäht,

der Wind hätte dieses Gedicht verweht.

Hätt’ ich vom Reimen bloß die Finger gelassen,

müsste ich jetzt die Herrentorte nicht hassen!

 

Nehmt weg mir den Stift ohne Klagen!

Sollte ich es jemals wieder wagen

Zu klimpern diese kitschige Klaviatur.

Glaubt mir: Reimen ist gegen meine Natur!

 

Isolde Peter

 

(Auch wieder ein Fundstück aus meinem Lyrik-Portfolio. Aufgabe war, ein gereimtes Gedicht zu schreiben. Das löste in mir erst einmal Widerwillen aus. Seit sich der Knoten gelöst hat, reime ich aber sehr, sehr gerne.)

 

Die Schönheitskönigin

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Die Schönheitskönigin

Sie ist süße neunzehn Jahr

perfekte Zähne, goldenes Haar

Haut so weiß wie Schnee

Augen so grün wie Klee

der Körper in einem Kleid aus Seide

als Schmuck glitzerndes Geschmeide

am Hals der so lang ist wie der vom Schwan

Ist sie nicht schön? guckt sie nur an!

 

Sie ist im Wettbewerb der Schönen die Auserwählte

bestand tapfer viele Fragen, mit denen man sie quälte

sie trug ihre Formen im Badeanzug zur Schau

man musterte sie gnadenlos und ganz genau

so wurde der Neid der nicht so Schönen geschürt

aber sie wurde zur Schönheitskönigin gekürt.

 

 

Manchmal entstehen kreativ geschriebene Gedichte wirklich sehr spontan. Es war ein Nachmittag im Park und die Aufgabe war, einen Text über einen Beruf zu schreiben, den ich ergreifen würde, wenn ich noch fünf andere Leben führen könnte. Ich wählte u. a. Primaballerina, Opernsängerin, männlicher Gynäkologe, Model und eben Schönheitskönigin. Alles Berufe, für die ich denkbar ungeeignet oder zu spät dran bin. Also was tun? Ein Gedicht über wenigstens einen der Berufe schreiben. Reimen. Das geht immer.

Die Tür

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Die Tür

 

Ich kannte mal eine Tür

im Winter quietschte sie wie ein Tier

sie war eine wunderschöne Altbautür

jetzt leb ich lange schon ohne ihr

 

Sie quietschte wie ein Karnickel, das man quälte

weil Berliner Altbau und im Winter diese Kälte

die Luft so eisig, dass ich vor Husten bellte

bevor die Klingel an der Wohnung schellte

 

Im Kaninchenfellmantel trat ich endlich ein

die Tür fiel zu, ich fühlte mich klein

schnell schaltete ich das Radio ein

Mutter kochte Klopse mit Eisbein

 

Ich kannte mal eine Tür

sie quietschte wie ein Tier

ich bellte, bevor ich schellte

und immer war da Eisbein, das mich quälte

 

 

Isolde Peter

Cut up-Gedicht: Suche

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Suche

Seine Hühneraugenblicke schmerzen. Immer sieht er einen

Fettnapf, der keiner ist und macht

ein großes Beziehungsdrama daraus. Er

fragt sich: „Wer ist diese Frau?“

Das regt sie auf. Doch: Sie ist leider gegen Gewalt.

Er denkt in diesem Moment: „Sind Gedanken strafbar?“

Beide wissen: Niemand kann alles sein.

Das wäre so absurd wie die Frage:

„Ist 0,99999999999999999999999999999 … gleich 1?“

Ist es eben nicht. Er weiß: Marsmädchen sagen tausendmal ‚Nein‘ –

trotz ihrer zarten Schneewittchen-Haut.

Sie sagt: „Früher war ich ‚Ein ganz normales kleines Mädchen‘ und

du warst der treueste Fan, den ich mir wünschen konnte.“

Ich stehe vor dem Spiegel und verspüre Unruhe.

Auf die Plätze – fertig los!

 

 

Winter in Berlin

 

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Winter in Berlin

 

eisiger Wind bläst vom Ural

peitscht Wunden ins Gesicht

und macht die Stadt weiß und kahl

 

das Trottoir ist glatt gefroren

ihr hochsensibles Gleichgewicht haben

viele sofort verloren

 

beim Balancieren auf dünnem Eis

die flachen Dächer glitzern und

glänzen puderzuckerweiß

 

 

 

Unter Zypressen

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Ein Gehirnchirurg spielt Tennis am Strand

Ob er Gehirne operiert, ist mir nicht wirklich bekannt

Ich habe mir das nur ausgedacht,

damit mein Mann über meine Einfälle lacht,

die mir in der flirrenden Hitze kamen,

unsere drei Gehirne drohten zu erlahmen,

ein Milchshake und zwei schaumige Frappés,

wir sitzen im Schatten eines gekühlten Cafés

der Blick geht hinaus zum funkelnden Meer

hier kommen wir jeden Morgen her

wir säen nicht, wir ernten und essen,

wir trinken und suchen Zypressen,

so heiß wie hier, ist es nur dort,

deshalb ist es ja unser Sehnsuchtsort.

 

(Wieder mal ein Fundstück aus dem Studium „Biografisches und Kreatives Schreiben“ – kleine Impression aus einem sehr heißen Sommer auf Naxos. Letztes Wochenende war es ähnlich heiß am Schlachtensee.)

Ode an den Prenzlauer Berg

Deine Häuser, oh Prenzlauer Berg, sind vom
Krieg nach Bullerbü gewandert
Die Narben zugekleistert mit Make up
Schäbig ist hier nur die gewollte Fassade.

Bei dir wird der Kaffee aus Gläsern getrunken
und Touristen frühstücken irgendwas mit Ei.
Überall grasen Kühe, die unsichtbar bleiben,
die Kinder essen auf den Wiesen Hokuspokus-Eis.

Die Straßenmusiker sind schön und wirken gecastet
und ihre Melodien passten in jeden Werbespot über
Einrichtungshäuser oder Bausparkassen.

Am liebsten würde man dazu im Seidenrock tanzen,
aber da ist die Angst, dass es die Nachbarn stören könnte.