Ode an Neukölln

Hier mal eine kleine Nebenerscheinung des Studiums an der Alice-Salomon-Hochschule, Modul Lyrik, Aufgabe: Eine Ode schreiben. Da konnte ich doch meiner Hassliebe auf Neukölln freien Lauf lassen, das Resultat ist ja wohl eher eine Hymne geworden. Wohin enttäuschte Liebe führt…

 

Ode an Neukölln

Dein graues Häusermeer aus alten Lumpen, oh Neukölln!

Reißen sie dir dein altes Gewand vom Leib,

kommen darunter Samt und Seide zum Vorschein.

Du Königin aller Berliner Bezirke!

Deine Augen, umkränzt von Schleiern,

leuchten in der Nacht.

Dein Himmel trägt Wolken aus Vanilleschaum

und deine Luft brennt auf der Haut wie Chili.

Viele wollen dich freien, werben um deine Gunst,

doch du Schöne, du Spröde, suchst dir aus,

welcher Rollkoffer in dein Herz darf!

Und nur wer in dein Herz schaut weiß,

dass auf deinem Dach am Hermannplatz

die Götter wohnen.

Disneyland Kreuzberg

Familie aus der Provinz und mit Dialekt. Vermutlich Schwäbisch.

Der Wortführer (Vater): „Wo geht es hier zu diesem Markt?“

Ich: „Ja, welchen Markt meinen Sie denn?“

(Denke: Hallesches Tor? Ein geheimer Markt, den ich nicht kenne? Das hier ist eine Großstadt, da gibt es nicht nur einen Markt.)

„Ja, da wo die Türken sin‘, wo soviel los ist, wo ma imma soviel hört!“

 

 

Auf dem Bücherstrich

Neulich hatte ich einen Albtraum. Ich sah mich, wie ich auf dem Bücherstrich für alternde intellektuelle Frauen einem alten Literaturkritiker hinterher lief, und flüsterte: “Pst, pst, hier ist mein Buch, es ist voll tiefgründig, aber auch humorvoll, es kommt sogar Sex drin vor und hey, zum Selbstkostenpreis, wie wär’s. Krieg ich ‘ne schöne Kritik?” Dann wachte ich auf und fand heraus, es gibt ja gar keinen Bücherstrich. Oder doch?

Geheimrezept für einen Bestseller

Leider wurde mein Erstling nicht der Bestseller, den ich erwartete. Jetzt habe ich eine neue Idee für ein Buch, das Erfolg haben könnte.

Es geht um eine junge Frau, sie ist gutaussehend, aber hat Probleme. Sie leidet zum Beispiel unter Hämorrhoiden, gleichaltrige Männer können sie deshalb nicht verstehen. Sie ist ein bisschen pervers. Sie steht auf ältere Männer, die auch Hämorrhoiden haben. Sie ist bereits mit einem alten Mann verheiratet, fängt aber ständig mit anderen alten Männern etwas an.

Ich gebe zu, mir schwebt eine Mischung aus „Liebesleben“ von Zeruya Shalev (wegen des literarischen Anspruches) und „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche (wegen des feministischen Anspruches) und 50 Shades of Grey (wegen Sex und wegen der Verkaufszahlen) vor.

Meine Zielgruppe sind Frauen aller Altersgruppen und alte Männer. Junge Männer lesen sowieso nicht.  Literaturkritiker sind in der Mehrzahl ältere Männer, ich gehe deshalb davon aus, dass ein Roman über eine junge Frau, die auf ältere Männer steht bei ihnen gut ankommt.

Ich habe praktisch schon ausgesorgt. Allerdings werde ich es unter einem Pseudonym veröffentlichen. Der Plot ist mir ein bisschen peinlich. Kayla Masuch werde ich mich nennen.

Ruhestörer

In Neukölln: Die Nachbarin über uns, die mit Plateauschuhen nachts um 4 über die blanken Dielen lief. Betrunkene auf der Straße, die hoch brüllten. Ein Nachbar, der nachts grundsätzlich Matthias Reim „Verdammt ich lieb dich“ aufdrehte und dazu mitsang. Die Feuerwehr, die durch die enge Straße mit eingeschaltetem Martinshorn fuhr.

In Kreuzberg: Die schizophrene Nachbarin, die unter uns wohnte und laute Selbstgespräche führte, dabei kochte und rauchte. Die Hiphop-Musikproduzenten im Erdgeschoss, die an ihren sexistischen Texten feilten. Die Studenten im Hinterhaus, deren Wand an unsere Schlafzimmerwand grenzte, die spontane nächtliche Partys feierten. Der alternde Rockfan unter uns, der seinen fatalen Musikgeschmack  auslebte.

In Mandarinendorf: Die Singdrossel, die das Piepen des Weckers täuschend echt nachahmen kann und mich damit um 4 Uhr nachts weckt.

Das Hundescheiße-Spiel

In Neukölln ist man es gewohnt, ständig Hundescheiße auf dem Bürgersteig vorzufinden und reinzutreten. In Mandarinendorf gibt es kaum Hundescheiße, die meisten Besitzer entfernen die Geschäfte ihrer Hunde (Stichwort: soziale Kontrolle).

Kurz nach unserem Umzug erfand das Kind mit ihrer Freundin deshalb ein neues Spiel. Es heißt „Hundekacke am Schuh“ und geht so: man tut als ob man in Hundekacke getreten wäre. Erst schreit man ganz laut los „Ich bin in Hundekacke getreten!“ und im zweiten Schritt wischt man die virtuelle Hundekacke ab, indem man die Schuhe auf dem Boden schleift. Schließlich hüpft man hin und her, wirft die Beine hoch in die Luft und schreit „Ih, Hundekacke!“ und scharrt dann wieder mit den Schuhen auf dem Asphalt.

Kesser Feger!

Beim Discounter gab es Perücken.
Ich kaufte zwei Modelle: „Pocahontas“ (schwarze Haare mit Zöpfen) und „Kesser Feger“ (undefinierbarer dunkelblonder Haarschnitt).
Zuhause setzten meine kleine Tochter und ich die Perücken auf. Mit dem Modell „Kesser Feger“ sah ich auf einmal schrill und abgetakelt aus. Blond macht mich nämlich blass und lässt mich billig wirken. Meine Tochter setzte sich die „Pocahontas“-Perücke auf, sah süß aus und nannte sich Sophia Kara Melissa.
„Ich wohne in Mandarinendorf!“, sagte sie und fügte hinzu: „Und du wohnst in Neukölln!“